Neues Kindsrecht seit 1. Juli 2014

Neu: gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall

(gemäss Empfehlungen der Kokes vom 3. Juni 2014)

 

1. Überblick

 

Die Revision macht die gemeinsame elterliche Sorge unabhängig vom Zivilstand der Eltern zum Regelfall. Die Zielsetzung wird im Wesentlichen damit begründet, ein Kind habe Anspruch darauf, dass seine Eltern gemeinsam Verantwortung für seine Entwicklung und Erziehung übernehmen würden. Mutter und Vater sollen gleichbehandelt werden (vgl. dazu Botschaft vom 16. November 2011 über die Änderung des Zivilgesetzbuches [elterliche Sorge] BBl 2011 S. 9092).

 

Die Revision ist ein Paradigmenwechsel. Musste im bisherigen Recht eine durch die KESB zu genehmigende Vereinbarung vorliegen, genügt im neuen Recht eine gemeinsame Erklärung der Eltern, die bestätigt, dass sie sich über Obhut und persönlichen Verkehr oder Betreuungsanteile sowie Unterhaltsbeitrag verständigt haben. Weitergehende Angaben sind nicht erforderlich. Eine inhaltliche Überprüfung ist nicht vorgesehen und würde der gesetzgeberischen Absicht nicht gerecht. Der behördliche Untersuchungs- und Offizialgrundsatz ist somit erheblich eingeschränkt, was im entsprechenden Verfahren zu Tage treten muss.

 

Ferner wird mit der Revision der Begriff Obhut inhaltlich neu definiert. Im bisherigen Recht umfasste die Bezeichnung die rechtliche wie die faktische Obhut. Das Recht, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, gehörte zur rechtlichen Obhut. Das tatsächliche Zusammenleben mit dem Kind in einer Hausgemeinschaft wurde als faktische Obhut bezeichnet. Neu wird die Befugnis, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen, ausschliesslich der elterlichen Sorge zugeordnet. Obhut nach neuem Recht ist also gleichzusetzen mit tatsächlicher (faktischer)Obhut (vgl. dazu Art. 301 Abs. 1bis ZGB). Der Randtitel von Art. 310 ZGB „Aufhebung der elterlichen Obhut" wurde deshalb mit dem Begriff „Aufhebung des Aufenthaltsbestimmungsrechts" ersetzt.

 

Neu eingeführt wurde auch der Begriff Betreuungsanteile: Bei gemeinsamem Sorgerecht spricht man von Betreuungsanteilen, wenn die Obhut explizit nicht einem Elternteil zugewiesen wurde. Fand eine Zuweisung statt, so wird im Bereich der Kontaktregelung zum anderen Elternteil von persönlichem Verkehr gesprochen. Diese Begriffsabgrenzung steht sodann auch in Einklang mit der Terminologie von Art. 273 ZGB.

 

Bei den Kindesschutzmassnahmen entfällt die bisherige Beistandschaft zur Feststellung der Vaterschaft nach Art. 309 ZGB. Neu wird diese Aufgabe im Rahmen der revidierten allgemeinen Beistandschaft aufgenommen (Art. 308 Abs. 2 ZGB) und erfordert deshalb eine konkrete Kindeswohlgefährdung (die bei einem rechtlich vaterlosen Kind i.d.R. angenommen wird).

 

2. Zuständigkeiten

 

2.1. Sachliche Zuständigkeit

 

Über die Belange der elterlichen Sorge zu befinden ,ist zwei Behörden vorbehalten: den Gerichten sowie den KESB, wobei im Bereich des strittigen Unterhalts den Gerichten eine ausschliessliche Zuständigkeit zukommt. Bei unverheirateten Eltern kann die gemeinsame elterliche Sorge auch durch eine Anerkennungserklärung des Vaters mit gleichzeitiger gemeinsamer Erklärung der Eltern beim Zivilstandsamt begründet werden.

 

 

2.2. Örtliche Zuständigkeit

 

Die örtliche Zuständigkeit der KESB richtet sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des betroffenen Kindes (bei gemeinsamer Erklärung nach Art. 298a Abs. 4 ZGB, beim Antrag eines Elternteils nach Art. 298b Abs. 1 ZGB, in Kindesschutzverfahren nach Art. 315 ZGB). 

 

Für die Regelung der Erziehungsgutschriften ist die KESB am Wohnsitz der Mutter zuständig.

 

3. Begründung der elterlichen Sorge

 

3.1. Voraussetzungen

 

Als Inhaber der elterlichen Sorge kommen nur Eltern in Frage, die ein rechtliches Kindesverhältnis begründet haben. Zudem müssen sie volljährig sein, dürfen nicht unter umfassender Beistandschaft stehen und nicht von einem früheren Entzug der elterlichen Sorgebetroffen sein (vgl. Art. 296 Abs. 3 ZGB sowie Art. 311 Abs. 3 ZGB).

 

3.2. Verheiratete Eltern

 

Verheiratete Eltern üben die elterliche Sorge während der Ehe gemeinsam aus. Beide Eltern werden mit der Geburt ihres Kindes Inhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge. Bei Trennung oder Scheidung befindet das zuständige Gericht darüber; das Belassen des gemeinsamen Sorgerechts ist dabei die Regel (Art. 133 Abs. 1 ZGB).

 

3.3. Nicht miteinander verheiratete Eltern

 

Ist die Mutter volljährig, so ist sie grundsätzlich Alleininhaberin der elterlichen Sorge, sofern nicht die Ausschlussgründe von Art. 296 Abs. 3 ZGB sowie Art. 311 Abs. 3 ZGB gegebenen sind (vgl. dazu Art. 298a Abs. 5 ZGB). Ein rechtliches Kindesverhältnis zum Vater durch eine Anerkennungserklärung bewirkt diesbezüglich keine Änderung. Demgegenüber kann das gemeinsame Sorgerecht durch gemeinsame Erklärung der Eltern oder durch Entscheid der KESB oder Gericht begründet werden.

 

3.3.1. Gemeinsame Erklärung beim Zivilstandsamt

 

Sind sich die Eltern einig, so können sie eine gemeinsame Erklärung beim Zivilstandsamt abgeben, wenn der Vater gleichzeitig das Kind anerkennt, was vorgeburtlich oder auch nach der Geburt erfolgen kann (Art. 298a Abs. 1 und 4 ZGB). In ihrer Erklärunghaben die Eltern zu bestätigen, bereit zu sein, gemeinsam die Verantwortung über ihr Kind wahrzunehmen und sich über die Obhut als auch den persönlichen Verkehr oder über die Betreuungsanteile wie auch über den Unterhaltsbeitrag verständigt zu haben (Art. 298a Abs. 2 ZGB). Die Eltern haben eine persönliche Erscheinungspflicht (Art. 18 Abs. 1 Bst. bbis ZStV) und können gleichzeitig auch eine Vereinbarung über die Anrechnung der Erziehungsgutschriften abschliessen.

 

3.3.2. Gemeinsame Erklärung bei der KESB

 

Wird die gemeinsame Erklärung zu einem späteren Zeitpunkt als die Anerkennung des Kindes abgegeben, so ist sie an die zuständige KESB zu richten (Art. 298a Abs. 1 und 4 ZGB). Konkrete Ausführungsbestimmungen bezüglich des Verfahrens vor der KESB fehlen in der Gesetzesnovelle. Eine solche Erklärung ist – wie beim Zivilstandsamt – aus Beweisgründen schriftlich abzugeben. Eine Offenlegungs- oder Prüfungspflicht, ob und wie die Modalitäten dem Kindswohl entsprechen, besteht nicht. Jedoch sind die Gültigkeitsvoraussetzungen zu prüfen, d. h. Alter der Eltern, keine umfassende Beistandschaft, rechtliches Kindesverhältnis, kein Entzug der elterlichen Sorge (Art. 311 Abs. 3 ZGB), etc. Es stellt sich die Frage, ob die KESB den Eltern in jedem Fall eine Pflicht auferlegen kann, persönlich zu erscheinen. Dies ist eher zu verneinen. Grundsätzlich wird ein persönlicher Kontakt mit den Eltern, sei es bei der KESB oder bei einer von ihr beauftragten Stelle, empfohlen. Die KESB kann auch ein rein schriftliches Verfahren vorsehen.

 

Übergangsrechtlich ist darauf hinzuweisen, dass eine gemeinsame Erklärung bei Einigkeit der Eltern jederzeit abgegeben werden kann, sowohl von geschiedenen wie unverheirateten Eltern. Sie sind m.a.W. nicht an die Jahresfrist von Art. 12 Abs. 4 SchlT ZGB gebunden.

 

Die schriftliche Erklärung der Eltern ist in dreifacher Form auszustellen (ein Exemplar für die Mutter, ein Exemplar für den Vater und ein Exemplar für die KESB). Die KESB versieht die Erklärung mit einer Unterschrift und einem amtlichen Stempel, der die Gültigkeit der Erklärung und somit das Zustandekommen der gemeinsamen Sorge nachvollziehbar machen lässt. Die KESB kann eine amtliche Bestätigung ausfertigen, sofern die Eltern eine solche verlangen.

Ab dem 1. Januar 2015 ist zudem zu beachten, dass eine Vereinbarung betreffend Erziehungsgutschriften abgeschlossen bzw. innerhalb von drei Monaten nach Abgabe der Erklärung nachgereicht werden muss. Ansonsten ist die Anrechnung der Erziehungsgutschriften von der KESB zu regeln.
 

3.3.3. Ohne gemeinsame Erklärung (Entscheid der KESB)

 

Weigert sich ein Elternteil, die Erklärung über die gemeinsame Sorge abzugeben, so kann der andere Elternteil die KESB am Wohnsitz des Kindes anrufen (Art. 298b Abs. 1 ZGB). Aktivlegitimiert sind Mutter und Vater des Kindes, die ein rechtliches Kindesverhältnis begründet haben. Eltern der Kinder, die nach dem 1. Juli 2014 geboren werden, sind an keine Fristen gebunden, in der sie den Antrag an die Behörde zu stellen haben.

 

Demgegenüber müssen Väter oder Mütter, deren Kinder vor dem 1. Juli 2014 geboren sind, sich bis zum 30. Juni 2015 an die KESB wenden und beantragen, die gemeinsame elterliche Sorge sei zu verfügen (Art. 12 Abs. 4 SchlT ZGB). Nach Ablauf dieser Frist steht ihnen der Weg in Ausnahmefällen offen, wenn sie veränderte Verhältnisse nachweisen können

 

Zwecks Abklärung der Verhältnisse kann die KESB oder eine von ihr beauftragte Stelle den anderen Elternteil oder beide Eltern zu einem Gespräch einladen, oder die KESB erkundigt sich beim anderen Elternteil schriftlich nach den Gründen, weshalb die gemeinsame Erklärung verweigert wird. Die KESB verfügt entweder die gemeinsame elterliche Sorge oder – sofern es das Kindeswohl erfordert – belässt das alleinige Sorgerecht bei der Mutter oder überträgt die elterliche Sorge dem Vater (Art. 298b Abs. 2 ZGB). Die KESB ist m.a.W. nicht an den Antrag der anrufenden Partei gebunden; weicht sie aber vom Regelfall der gemeinsamen Sorge ab, sind die Gründe hinreichend darzulegen. Wenn keine qualifizierten Gründe vorliegen, ist die gemeinsame Sorge auszusprechen. Unzumutbarkeit für einen Elternteil stellt für sich allein keinen Grund dar, von der Einräumung der gemeinsamen Sorge abzusehen. Oberste Richtschnur für den Entscheid der Behörde ist die Wahrung des Kindeswohls. Dieser Massstab ist jedoch erheblich eingeschränkt. Die Frage, ob gemeinsame oder alleinige elterliche Sorge einzuräumen ist, ist mit dem Anwendungsbereich von Art. 311 ZGB nicht deckungsgleich. Die Konstellationen von Art. 311 ZGB werden insb. durch die „qualifizierte Kooperationsunfähigkeit" der Eltern sowie dem offensichtlichen Rechtsmissbrauch ergänzt. Demnach werden also die praktisch relevanten Fragen lauten, wie lange es dem Kind zugemutet werden kann, dass auf seinem Rücken ein Konflikt ausgetragen wird bzw. insb. ob einem derartigen Konflikt überhaupt mit einem alleinigen Sorgerecht begegnet werden kann.

 

Für das Verfahren vor der KESB gelten primär die allgemeinen Verfahrensbestimmungen gemäss Art. 314 ZGB i.V.m. Art. 443 ff. ZGB. Insbesondere sind die Rechte des betroffenen Kindes gebührend zu berücksichtigen, was zumindest dessen Anhörung erfordert (Art. 314a ZGB). In Einklang mit der bundesgerichtlich festgelegten Alterslimite soll ein Kind ab seinem 6. Altersjahr grundsätzlich angehört werden (BGE 131 III 553). Je nach Konstellation des Einzelfalles, insb. bei besonders strittigen Fällen oder bei sog. qualifizierter Kooperationsunfähigkeit, wird auch eine Vertretung des Kindes zu prüfen sein (Art. 314 abis ZGB). Dabei ist eine Zweiteilung des Verfahrens – Entscheid elterliche Sorge, Regelung der Nebenpunkte – denkbar. Die Eltern zu einem Mediationsversuch aufzufordern, erscheint ebenfalls prüfenswert (vgl. Art. 314 Abs. 2 ZGB). In einem solchen Fall wäre das Verfahren während des Mediationsversuches zu sistieren, wobei sich im Vorfeld vorsorgliche Massnahmen beispielsweise für Kontaktregelung oder Obhut aufdrängen können. Wird gleichzeitig die Klage auf Abänderung des Unterhalts anhängig gemacht, so ist eine Verfahrenskoordination mit dem Gericht angezeigt, zumal die Unterhaltsbeiträge der Eltern nicht losgelöst von der Frage der Obhut oder Betreuungsanteilen beurteilt werden können. Ebenfalls abhängig davon ist das Zusprechen der Erziehungsgutschriften.

 

 3.3.4. Vaterschaftsklage

 

 Heisst das Gericht eine Vaterschaftsklage gut, so verfügt es entweder die gemeinsame elterliche Sorge oder – sofern es das Kindswohl erfordert – belässt die alleinige Sorge der Mutter oder überträgt diese dem Vater (Art. 298c ZGB). Obwohl - im Gegensatz zur vorangehenden Norm (Art. 298b ZGB) - die Regelung von strittigen Nebenpunkten nicht erwähnt wird, ist in Analogie zu Art. 134 Abs. 4 ZGB eine Kompetenzattraktion anzunehmen. Das Gericht hat neben dem Sorgerecht auch die strittigen Nebenpunkte sowie die Erziehungsgutschriften zu.

 

 3.4. Beratungsauftrag der KESB (oder von ihr bezeichneten Stellen)

 

Die Eltern können sich vor der Abgabe der gemeinsamen Erklärung bei der KESB beraten lassen (Art. 298a Abs. 3 ZGB); auch urteilsfähige Kinder können sich bei Fragen an die KESB wenden. Eine Delegation der Beratungstätigkeit an geeignete Stellen wie eine Elternberatungsstelle oder einen Sozialdienst im Auftrag der KESB ist möglich.

 

Die Eltern sollen durch die Beratung befähigt und bestärkt werden, ihre Rolle als Eltern selbstverantwortlich wahrzunehmen und eine gemeinsame Erklärung abzugeben.

 

Inhaltlich von Relevanz sind folgende Aspekte:

 

- Voraussetzungen, damit eine gemeinsame elterliche Sorge erklärt werden kann (vgl. dazu das Merkblatt für Eltern im Anhang),

- Namensrecht im Sinne von Art. 270 ff. ZGB

- Unterhalt des Kindes sowie Funktion einer Unterhaltsvereinbarung, in welcher die bestehende Unterhaltspflicht zwischen Eltern und Kind konkretisiert wird (vgl. Ziff. 6.1.),

- Funktion einer Elternvereinbarung, in welcher Betreuungsregelung als auch Belange der alleinigen Entscheidungsbefugnisse usw. geregelt werden können (hier ist vor allem der Prozess wichtig, dass sich die Eltern über bestimmte Punkte unterhalten haben),

- Funktion und Regelung von Erziehungsgutschriften im Bereich der AHV (siehe dazu Ziff. 6.4.).

 

Insbesondere der Abschluss eines Unterhaltsvertrages ist bei Eltern, welche nicht miteinander leben, sicherlich angezeigt. Auch aus Gründen der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Unterhaltsbeiträgen erweist sich eine Unterhaltsregelung dienlich.

 

4. Wesentliche Änderung der Verhältnisse

 

4.1. Allgemeines

 

Die KESB regelt die Zuteilung der elterlichen Sorge neu, wenn dies wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse zur Wahrung des Kindeswohls nötig ist. Aktivlegitimiert sind die Mutter oder der Vater oder das betroffene Kind. Dabei kann sich die KESB auf die Regelung der Obhut, des persönlichen Verkehrs oder Betreuungsanteile beschränken (Art. 298d ZGB).

 

Für nicht miteinander verheiratete Eltern gilt diese Bestimmung ausschliesslich. Die sachliche Zuständigkeit für geschiedene Eltern richtet sich nach Art. 134 Abs. 4 ZGB. Einzig in den Belangen des persönlichen Verkehrs oder der Betreuungsanteilen darf die KESB auch strittige Anträge geschiedener Eltern regeln. Die Neuregelung der elterlichen Sorge, der Obhut und eines Unterhaltvertrages geschiedener Eltern kann die KESB nur bei Einigkeit der betroffenen Eltern verfügen (Art. 134 Abs. 3 ZGB).

 

Welche Änderungen als wesentlich und zur Wahrung des Kindeswohls zu werten sind, ist abhängig vom Regelungsgegenstand. So müssen sehr triftige Gründe vorliegen (vgl. Art. 311 ZGB), damit die Voraussetzungen einer Neuzuteilung der elterlichen Sorge überhaupt in Betracht gezogen werden kann. Demgegenüber werden die in Scheidungsbelangen angewendeten Massstäbe für die Bereiche Obhut, persönlicher Verkehr oder Betreuungsanteile auch auf die Verfahren von unverheirateten Eltern massgeblich werden (vgl. dazu auch BGer 5A_310/2013 vom 18. Juni 2013). Für das Verfahren vgl. Ziff. 3.3.3

 

4.2. Spezialregelung: Wegzug

 

Will ein Elternteil mit alleiniger elterliche Sorge den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, untersteht dies neu explizit einer rechtzeitigen Informationspflicht gegenüber dem Anderen (Art. 301a Abs. 3 ZGB). Für Eltern, die ihren eigenen Wohnsitz wechseln wollen, gilt diese Obliegenheit ebenfalls. Dies losgelöst von der Frage, wer Inhaber der elterlichen Sorge ist (Art. 301a Abs. 4 ZGB). In der Praxis schafft ein Umzug häufig auch das Bedürfnis auf Anpassung der bisherigen Nebenpunkte (Obhut, persönlicher Verkehr, Unterhalt etc.), was im Gesetz auch erwähnt wird (Art. 301a Abs. 5 ZGB). Gesondert zu betrachten sind aber zwei Fälle:

 

Üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus und will die Mutter oder der Vater den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so bedarf das der Zustimmung des anderen Elternteils oder des Gerichts bzw. der KESB, sofern der neue Aufenthaltsort a) im Ausland liegt (vgl. unten 4.2.1. oder b) dessen Wechsel eine erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge und den persönlichen Verkehr hat (vgl. unten 4.2.2.) (vgl. dazu Art. 301a Abs. 2 ZGB). Bezüglich Verfahren vgl. Ausführungen in Ziff. 3.3.3. 

 

4.2.1. Wegzug ins Ausland

 

Können die Eltern keine einvernehmliche Lösung finden, so wird bei nicht miteinander verheirateten Eltern die KESB unter Berücksichtigung und Würdigung aller Umstände, namentlich der Gründe des Umzugs sowie allfälligen Details zum neuen Wohnort, zu entscheiden haben, wie sich der neue Aufenthaltsort zum Bisherigen unter Berücksichtigung des Kindeswohls verhält. Eine Neuregelung der Nebenfolgen wie z. B. Obhutszuteilung und Regelung des persönlichen Verkehrs drängt sich je nach Distanz und den dazugehörigen konkreten Umständen auf. Werden jedoch eigenmächtig Tatsachen ohne vorgängige Verständigung geschaffen, so steht dem anderen Elternteil ein Rückführungsverfahren gemäss Haager Kindesentführungsüberein-kommen oder des Europäischen Sorgerechtsübereinkommen – je nach Aufenthaltsstaat – offen.

 

 4.2.2. Erhebliche Auswirkungen 

 

Bei einem Umzug innerhalb der Schweiz stellt sich die Frage, wann von einer erheblichen Auswirkung auf die elterliche Sorge und den persönlichen Verkehr gesprochen werden kann. Aufgrund des Wortlautes müssten sich die Auswirkungen in beiden Bereichen (kumulativ) als erheblich erweisen. Sachgerechter wäre aber, wenn sich die Erheblichkeit entweder auf die elterliche Sorge oder (alternativ) auf die persönlichen Kontakte auswirkt.

 

Denn in Anbetracht der heutigen Kommunikationsmittel könnte es sich in der Tat als schwierig erweisen, durch einen Wegzug innerhalb der Schweiz Erheblichkeit bezüglich dem Ausüben der elterlichen Sorge zu bejahen. Was eine erhebliche Auswirkung im Bereich des persönlichen Verkehrs ist, kann demgegenüber nur in einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung objektiver Gesichtspunkte wie Alter des Kindes, Gesundheit, Verkehrsmittel und deren Verbindungen, Wegkosten etc. festgestellt werden. Mit anderen Worten wird nicht allein auf das Kriterium Distanz abzustellen sein, sondern es müssen sämtliche relevanten Faktoren einbezogen werden. Können nicht miteinander verheiratete Eltern keine gemeinsame Lösung finden, wird die KESB so oder anders entscheiden müssen (vgl. dazu auch Art. 301a Abs. 5 ZGB). Es rechtfertigt sich diesfalls von einer konkreten Kindeswohlgefährdung auszugehen, weshalb auch in solchen Angelegenheiten die Möglichkeit, die Eltern zu einem Mediationsversuch aufzufordern, nicht unberücksichtigt bleiben sollte.

 

In der Botschaft wird die Möglichkeit genannt, dass allenfalls ein Verbot oder eine Um- bzw. Fremdplatzierung angeordnet werden könne (BBl 2011 S. 9108). In Anbetracht der verfassungsmässig geschützten Niederlassungsfreiheit wie auch der Eingriffsintensität einer Fremdplatzierung müssen aber vorgängig weniger einschneidendere Massnahmen geprüft worden sein und nicht ausreichend erscheinen. Dabei ist zu beachten, dass eine erhebliche Auswirkung des Aufenthaltswechsels in Bezug auf Betreuungsanteile vom Wortlaut des Gesetzes prima facie nicht erfasst wird. Demgegenüber könnte man jedoch anführen, dass in einem solchen Fall Erheblichkeit unter dem Begriff Ausüben der elterlichen Sorge zu subsumieren wäre.

 

4.2.3. Zuständigkeit

 

Die Änderung des Aufenthaltsortes des Kindes kann auch dazu führen, dass sich sein Wohnsitz ändert. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche KESB im Rahmen der Belange von Art. 301a ZGB anzurufen ist: die bisherige und jene am neuen Ort. In der Regel sollte aber die Zuständigkeit der KESB des bisherigen Wohnsitzes bejaht werden.

 

4.3. Tod eines Elternteils

 

Haben die Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausgeübt und stirbt einer von ihnen, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu (Art. 297 Abs. 1 ZGB). Stirbt der Alleinsorgeberechtigte prüft die KESB, was dem Kindeswohl zuträglicher ist: entweder die Übertragung der elterlichen Sorge an den nicht Inhaber oder die Bestellung eines Vormundes (Art. 297 Abs. 2 ZGB). Dabei werden die Gründe, welche damals die Übertragung des alleinigen Sorgerechts rechtfertigten, massgeblich zu berücksichtigen sein. Es ist festzustellen, ob sie aufgrund der konkret zu beurteilenden Umständen auch zum Entscheidzeitpunkt noch bejaht werden können.

 

5. Inhalt der elterlichen Sorge

 

5.1. Allgemeines

 

Das Gesetz verzichtet auf eine Legaldefinition. Es umschreibt aber deren Inhalt und regelt Einzelaspekte. Der Inhalt der elterlichen Sorge wird dahingehend umschrieben, dass die Eltern die Pflege und Erziehung des Kindes leiten und dabei die nötigen Entscheide treffen und zwar beides stets im Blick auf das Wohl des Kindes. Sie berücksichtigen dabei die eigene Handlungsfähigkeit des Kindes, insbesondere auch unter Wahrung dessen höchstpersönliche Rechte (Art. 301 Abs. 1 ZGB sowie Art. 19c ZGB). M.a.W. ist die elterliche Sorge das unverzichtbare Pflichtrecht der Eltern, das minderjährige Kind zu erziehen, zu vertreten und sein Vermögen zu verwalten und bei dessen Urteilsunfähigkeit zu entscheiden.

 

Einzelne Gesichtspunkte finden sich in folgenden Bestimmungen:

 

- körperliche, geistige und sittliche Entfaltung (Art. 302 Abs. 1 ZGB)

- Schulung und Ausbildung (Art. 302 Abs. 2 ZGB)

- Religion und Weltanschauung (Art. 303 ZGB)

- Ort des Aufenthalts / Obhut (Art. 301 Abs. 3 ZGB)

- Vorname (Art. 301 Abs. 4 ZGB)

- Vertretung des Kindes (Art. 304 ZGB)

- Verwaltung des Kindesvermögen (Art. 318 ZGB)

 

5.2. Gemeinsame Entscheide

 

Grundsätzlich haben die Eltern alles, was das Kind betrifft, unter altersgerechtem Einbezug des Kindes gemeinsam zu regeln. Gemeinsame elterliche Sorge erfordert daher Kommunikationswilligkeit und -fähigkeit, aber auch Kompromissbereitschaft der Eltern sowie ein Mindestmass an Kooperation. Es entspricht nicht dem Gesetzeszweck des neuen Sorgerechts, dass die KESB als Vermittlerin bzw. Schlichterin in Bezug auf jegliche Entscheide von gemeinsam sorgeberechtigten Eltern zur Verfügung steht. Dies auch deshalb, weil die Eltern verpflichtet sind, sich zum Wohl des Kindes rechtzeitig zu einigen. Insofern wird die KESB zu prüfen haben, ob sie auf die gestellten Begehren einzutreten hat.

 

Können sich aber Eltern in wesentlichen nicht alltäglichen Kindesbelangen nicht einigen so kann die KESB von einem Elternteil oder dem urteilsfähigen Kind angerufen werden. Die KESB muss intervenieren, wenn durch die Uneinigkeit der Eltern das Kindeswohl gefährdet ist und die KESB über geeignete Massnahmen verfügt, der Kindeswohlgefährdung entgegen zu wirken. Die KESB kann die Eltern ermahnen bzw. diesen Weisungen erteilen (Art. 307 Abs. 3 ZGB) oder als geeignete Massnahme im Sinne von Art. 307 Abs. 1 ZGB die Entscheidbefugnis einem Elternteil einräumen11 oder analog zu Art. 392 Ziff. 1 ZGB den Entscheid anstelle der Eltern treffen. Ebenso können weitergehende Kindesschutzmassnahmen geprüft werden. Auch die Möglichkeit, die Eltern zu einem Mediationsversuch aufzufordern (Art. 314 Abs. 2 ZGB) oder eine Mediation anzuordnen (Art. 307 Abs. 3 ZGB), ist in Erwägung zu ziehen, ebenso die Prüfung einer Verfahrensvertretung (Art. 314abis ZGB). So oder anders ist die Frage im Wiederholungsfalle berechtigt, ob die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge noch sachgerecht ist oder ein Fall im Sinne einer qualifizierten Kooperationsunfähigkeit zum erheblichen Nachteil des Wohlergehens des Kindes vorliegt. Es geht aber nicht an, dass die KESB zur Streitschlichtungsstelle verkommt und immer wieder in einzelnen Fragen entscheidet. Wie schon eingangs erwähnt, geht die gemeinsame Sorge als Regel davon aus, dass die Eltern in der Lage sind, sich zu einigen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Das ist der bereits angesprochene Paradigmenwechsel. Die KESB müssen dies bei den Eltern konsequent einfordern und solange keine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliegt auf die Begehren nicht eintreten.

 

Der Umfang der gemeinsamen Entscheidungen ist nicht unbegrenzt. So wird dem betreuenden Elternteil eine gewisse Entscheidautonomie in sogenannten alltäglichen oder dringlichen Belangen zugebilligt (Art. 301 Abs. 1bis Ziff. 1 ZGB). Dabei wurde bewusst auf das Nennen von Kriterien, welche für alltägliche Belange charakteristisch sein könnten, verzichtet (BBl 2011 S. 9106). Was welchem Bereich zuzuordnen ist, wird sich demgemäss am Einzelfall unter Einbezug sämtlicher Umstände nach objektiven Gesichtspunkten beurteilen. Dabei dürften Fragen, welche in unmittelbarem Zusammenhang mit der häuslichen Gemeinschaft stehen (faktische Obhut) eher dem Charakter der Alltäglichkeit nahe stehen als Weitergehende. Demgegenüber sind dringliche Belange dahingehend auszulegen, wenn Gefahr in Verzug liegt und ein Zuwarten dem Kindeswohl widerspräche. Eher selten dürfte mit den heutigen Kommunikationsmittel derjenige Fall sein, dass der andere Elternteil nicht mit vernünftigen Aufwand zu erreichen sein wird (Art. 301 Abs. 1bis Ziff. 2 ZGB). Dies drängt sich rein schon deshalb auf, weil im Sinne einer Ausnahmeregelung eine restriktive Praxis angezeigt ist.

 

 6. Einzelfragen

 

6.1. Behördliche (Mit)-Verantwortung bei der Vaterschafts- und Unterhaltsregelung


Bei der Beratung zur gemeinsamen elterlichen Sorge (Ziff. 3.4.) wurde darauf hingewiesen, dass ein Unterhaltsvertrag bei nicht miteinander verheirateten Eltern grundsätzlich immer zu empfehlen ist, insbesondere wenn die Eltern nicht miteinander im gleichen Haushalt leben. Der Entscheid, ob ein Unterhaltsvertrag im Einzelfall abgeschlossen wird, liegt dabei in der alleinigen Kompetenz der Eltern; die KESB kann lediglich darauf hinweisen und einen solchen empfehlen.

 

Bei nicht miteinander verheirateten Eltern ist nicht nur der Unterhalt, sondern u.U. und vor allem die Regelung der Vaterschaft eine wichtige Aufgabe der KESB. Hierzu Folgendes:

 

Das Kind hat ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung sowie auf angemessenen Unterhalt. Wenn die KESB vom Zivilstandsamt eine Mitteilung bekommt (Art. 50 Abs. 1 ZStV)14, hat sie je nach Konstellation unterschiedliche Handlungsoptionen resp. Mitverantwortungen:

 

a) Das Kind ist rechtlich vaterlos (d.h. bis zur Geburt des Kindes ist keine Anerkennung erfolgt): Die KESB wird die Mutter i.d.R. anschreiben und zu einem Gespräch einladen, anlässlich dessen der Anspruch des Kindes auf Kenntnis seiner Abstimmung besprochen wird. Rechtliche Vaterlosigkeit stellt i.d.R. eine Kindeswohlgefährdung dar, die ein Einschreiten der KESB erfordert. Bemühungen der Mutter, das Kindesverhältnis zum Vater herzustellen (insb. via Anerkennung), werden unterstützt, nötigenfalls mittels Errichtung einer Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 2 ZGB mit dem Auftrag der Feststellung der Vaterschaft (i.d.R. kombiniert mit dem Auftrag der Regelung des Unterhalts).

 

) Das Kind wurde vom Vater anerkannt (ohne gleichzeitige Erklärung der gemeinsamen Sorge): Die KESB wird die Mutter und den Vater i.d.R. anschreiben und auf die Möglichkeit der Erklärung der gemeinsamen Sorge sowie die Bedeutung eines Unterhaltsvertrags aufmerksam machen. Ein Unterhaltsvertrag ist zu empfehlen, insb. wenn die Eltern nicht in Hausgemeinschaft leben.

 

c) Das Kind wurde vom Vater anerkannt und die gemeinsame elterliche Sorge wurde erklärt: Die KESB wird die Mutter und den Vater i.d.R. anschreiben und auf die Bedeutung eines Unterhaltsvertrags aufmerksam machen. Bei nicht in Hausgemeinschaft lebenden Eltern ist ein Unterhaltsvertrag zu empfehlen. Wenn die Anrechnung der Erziehungsgutschriften noch nicht geregelt wurde, hat die KESB diese Fälle ab 1.1.2015 zu terminieren und nach Ablauf von drei Monaten nachzufragen und die Anrechnung der Erziehungsgutschriften ggf. selber festzulegen (vgl. Ziff. 6.4.).

 

 

Art. 309 aZGB wird per 1. Juli 2014 aufgehoben. Als „Ersatz" wird Art. 308 Abs. 2 ZGB ergänzt. Die am 1. Juli 2014 nach Art. 309 ZGB bestehenden Massnahmen laufen weiter; die KESB kann bei diesen Massnahmen vom Beistand oder der Beiständin einen Zwischenbericht verlangen und die Massnahme gegebenenfalls in eine Massnahme nach Art. 308 Abs. 2 ZGB mit dem spezifischen Auftrag „Feststellung Vaterschaft" umwandeln.

 

Ein bestehender Unterhaltsvertrag ist auch weiterhin gültig. Eine Erklärung oder Anordnung der gemeinsamen Sorge ändert nichts an der Gültigkeit von bestehenden Unterhaltsverträgen. Eine Abänderung ist für das Kind erst mit der Genehmigung der KESB oder durch ein gerichtliches Urteil verbindlich (Art. 287 ZGB). Eine von den Eltern abgeschlossene und von der KESB nicht genehmigte Vereinbarung stellt einen Titel für die provisorische Rechtsöffnung dar, eine genehmigte Unterhaltsvereinbarung hingegen einen Titel für die definitive Rechtsöffnung, mit dem ggf. die Alimentenbevorschussung eingefordert werden kann.

 

6.2. Namensrecht

 

Bei nicht miteinander verheirateten Eltern ist die Zuteilung der elterlichen Sorge auch für den Namenserwerb von Bedeutung. Wird die gemeinsame elterliche Sorge nach der Geburt des ersten Kindes begründet, so können die Eltern innerhalb eines Jahres seit deren Begründung gegenüber dem Zivilstandsamt erklären, dass das Kind den Ledignamen des andern Elternteils trägt. Diese Erklärung gilt für alle gemeinsamen Kinder, unabhängig von der Zuteilung der elterlichen Sorge (Art. 270a Abs. 2 ZGB). Demgegenüber führen spätere Änderungen in Bezug auf das Sorgerecht nicht zu einer Änderung des Namens (Art. 270a Abs. 4 ZGB). Es stellt sich die Frage, an wen sich die Eltern wenden können, sofern sie sich hinsichtlich der Namenswahl nicht einig sind. Die Botschaft weist diese Aufgabe der KESB zu, welche unter vorrangiger Berücksichtigung des Kindeswohls zu entscheiden habe (BBl 2011 S. 9102). Eine gesetzliche Grundlage wurde aber nicht geschaffen; es bleibt einzig der Weg, eine Gefährdung des Kindeswohls anzunehmen und der KESB gestützt auf Art. 307 Abs. 1 ZGB die Legitimation zuzuweisen, bei Uneinigkeit der Eltern den Namen festzulegen

 

6.3. Wohnsitz des Kindes

 

Als Wohnsitz des Kindes unter elterlicher Sorge gilt der Wohnsitz der Eltern oder, wenn die Eltern keinen gemeinsamen Wohnsitz haben, der Wohnsitz des Elternteils, unter dessen Obhut das Kind steht; in den übrigen Fällen gilt sein Aufenthaltsort als Wohnsitz (Art. 25 Abs. 1 ZGB).

 

Nach dem 1. Juli 2014 entspricht der Begriff Obhut der sogenannten faktischen Obhut. Wurde die Obhut keinem Elternteil zugeteilt, so stellt sich die Frage, wie sich der Wohnsitz des Kindes bei getrennt lebenden Eltern ableiten lässt, wenn lediglich Betreuungsanteile geregelt sind. Aus Praktikabilitätsgründen erscheint sachgerecht, wenn der Wohnsitz des Kindes am Ort des hauptsächlich betreuenden Elternteils angeknüpft wird, sofern das Betreuungsmodell asymmetrisch ausgestaltet isst.

 

Besteht demgegenüber ein symmetrisches Betreuungsmodell in Form von gleich grossen Betreuungsanteilen, so ist der Wohnsitz des Kindes wählbar und sollte von den Eltern oder derjenigen Instanz, welche das Betreuungsmodell anordnet, festgelegt werden.

 

6.4. AHV-Erziehungsgutschriften

 

Bis zum 31. Dezember 2014 gilt die bestehende Regelung: Nicht miteinander verheiratete Eltern, welchen die gemeinsame Sorge zusteht, können schriftlich vereinbaren, welchem Elternteil die ganze Erziehungsgutschrift angerechnet werden soll. Ohne Vereinbarung wird die Erziehungsgutschrift hälftig aufgeteilt (Art. 52f Abs. 2bis AHVV, SR 831.101). Ein behördliches Anordnungsverfahren im Falle einer fehlenden Vereinbarung gibt es nicht.

 

Per 1. Januar 2015 wird die Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV) geändert. Die Eltern können - wie bisher - vereinbaren, wem die Erziehungsgutschriften infolge überwiegender Betreuung zu 100% anzurechnen sind oder ob sie gemäss der hälftigen Betreuung hälftig aufgeteilt werden. Die Vereinbarung kann im Moment der Abgabe der Erklärung vor dem Zivilstandsamt oder der KESB abgeschlossen oder innert 3 Monaten nach der Erklärung bei der KESB eingereicht werden. Geht innert dieser Frist keine Vereinbarung ein, so ist neu vorgesehen, dass die KESB die Anrechnung der Erziehungsgutschriften regelt (nArt. 52fbis Abs. 3 AHVV). Die KESB hat bei ihrem Entscheid ein sehr eingeschränktes Ermessen. Wird das Kind zum überwiegenden Teil durch einen Elternteil betreut, so ist ihm die ganze Erziehungsgutschrift anzurechnen. Wird es zu gleichen Teilen von beiden betreut, so ist die Erziehungsgutschrift hälftig aufzuteilen (nArt. 52fbis Abs. 2 AHVV). Eine weitere Differenzierung (z.B. 70:30) ist nicht möglich. Ein Entscheid über die Anrechnung der Erziehungsgutschriften setzt voraus, dass die KESB Kenntnis der Betreuungsmodalitäten hat. Solange die Anrechnung der Erziehungsgutschriften nicht geregelt ist, wird sie der Mutter des Kindes zu 100% angerechnet (nArt. 52fbis Abs. 6 AHVV). Dieser Regelung gilt ab 1.1.2015 auch bei Eltern, denen die Erziehungsgutschriften mangels Regelung hälftig angerechnet wurden (vgl. oben, Regelung bis 31.12.2014); wenn die Eltern nichts unternehmen, wird die Erziehungsgutschrift ab 1.1.2015 in vollem Umfang der Mutter angerechnet. Wenn die Eltern die Erziehungsgutschrift weiterhin hälftig teilen möchten, müssen sie eine entsprechende Vereinbarung treffen. Einen Handlungsbedarf seitens KESB gibt es bei diesen Fällen nicht.

 

etreffend Zuständigkeit erscheint es sachgerecht, die KESB am Wohnsitz der Mutter als örtlich zuständig zu betrachten (sie erhält auch die Mitteilung des Zivilstandsamtes über eine Anerkennung mit gleichzeitiger Erklärung der gemeinsamen elterlichen Sorge, vgl. Art. 50 Abs. 2 Bst. a ZStV i.V.m. Art. 50 Abs. 1 Bst. c und Bst. cbis ZStV analog). Die revidierten Bestimmungen der AHVV treten am 1. Januar 2015 in Kraft, was konkret bedeutet, dass Verfahren betreffend Erziehungsgutschriften von der KESB ab dem 1. April 2015 zu führen sind. Das bedingt, dass der Meldungseingang vom Zivilstandsamt zu kontrollieren ist und entsprechende Abläufe (inkl. Fristenmanagement) KESB-intern festgelegt sind.

 

SachlicheZuständigkeiten in Belangen der gemeinsamen elterlichen Sorge

 

  a) Verheiratete/geschiedene/getrennte Eltern

 

 

Elterliche Sorge

Obhut, Betreuung/ persönlicher Verkehr

Unterhalt

(verheiratete) Eltern in einem eherechtlichen Verfahren

Gericht (Art. 133 Abs. 1 bzw. Art. 176 Abs. 3 i.V.m. Art. 298 Abs. 1 ZGB)

 

Gericht: Genehmigung der von den Eltern getroffenen Vereinbarung (Art. 133 Abs. 1 ZGB, Art. 176 Abs. 3 ZGB); im Konfliktfall Regelung anordnen (Art. 133 Abs. 1/Art. 176 Abs. 3 i.V.m. Art. 275 Abs. 2 ZGB)

 

Gericht: Genehmigung der Vereinbarung (Art. 287 Abs. 3 ZGB); im Konfliktfall Festlegung (Art. 133 Abs. 1 /Art. 176 Abs. 3 ZGB)

Abänderung von Regelungen bei rechtskräftig geschiedenen oder gerichtlich getrennten Eltern

KESB: bei Einigkeit der Eltern (Art. 134 Abs. 3 ZGB)

Gericht: in strittigen Fällen (Art. 134 Abs. 3 ZGB)

 

KESB: bei Einigkeit der Eltern (Art. 134 Abs. 3 / 179 Abs. 1 ZGB) sowie in strittigen Fällen, welche ausschliesslich den persönlichen Verkehr/die Betreuungsanteile betreffen (Art. 134 Abs. 4 ZGB)

Gericht: sofern gleichzeitig Zuteilung elterliche Sorge und/oder Obhut und/oder Unterhaltsbeitrag strittig (Art. 134 Abs. 4 ZGB)

 

KESB: bei Einigkeit der Eltern (Art. 134 Abs. 3 ZGB)

Gericht: im Konfliktfall (Art. 134 Abs. 3 ZGB)