Das Arbeitszeugnis

Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Arbeitszeugnis und / oder eine Arbeitsbestätigung.

Die Formulierung hat den Prinzipien von Vollständigkeit, Wohlwollen, Wahrheit und Klarheit zu genügen. Die wohlwollende Zeugnisformulierung soll das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht erschweren. Trotzdessen muss der Arbeitgeber auch negative Leistungs- und Verhaltens-Aspekte von besonderer Wichtigkeit und / oder Wiederholung erwähnen.

 

Gefälligkeitszeugnisse oder zu gute Zeugnisse, die die immaterielle Unbill der Entlassung kompensieren sollen, können den Arbeitnehmer bei interessierten Arbeitgebern zu kompetent erscheinen lassen. Mit Nichterwähnungen oder ungerechtfertigten Topzeugnissen setzt sich der Arbeitgeber der Gefahr einer Schadenersatzpflicht gegenüber nachfolgenden Arbeitgebern aus.

 

Die ernstgenommene Zeugnispflicht ist für den Arbeitgeber eine herausfordernde und unausweichliche Aufgabe. Der Zeugnistext muss authentisch sein, muss den Arbeitnehmer so wie er physisch ist, im Text erkennbar machen. Nicht individualisierte Zeugnisvorlagen oder die Zeugnisse sog. “Zeugnisdienste” werden diesem Anspruch nicht gerecht!

Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Grundlagen

Die rechtliche Grundlage für ein Arbeitszeugnis findet sich in Art. 330a OR, welcher wie folgt lautet:

  • Abs. 1: “Der Arbeitnehmer kann jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht.”
  • Abs. 2: “Auf besonderes Verlangen des Arbeitnehmers hat sich das Zeugnis auf Angaben über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beschränken.”
  • Abs. 1 des Art. 330a OR statuiert nicht nur die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis auszustellen, sondern umschreibt auch den Minimalinhalt, den das Arbeitszeugnis aufweisen muss. Zum vorgeschriebenen Inhalt gehören Angaben über:
    • Art des Arbeitsverhältnisses
    • Dauer des Arbeitsverhältnisses
    • Leistungen des Arbeitnehmers
    • Verhalten des Arbeitnehmers

Unter Elemente des Arbeitszeugnisses wird auf den geforderten Inhalt des Arbeitszeugnisses näher eingegangen.

Unverzichtbarkeit des Anspruchs auf ein Arbeitszeugnis

Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass es sich beim Zeugnis im Sinne von Art. 330a OR um einen zwingenden Anspruch des Arbeitnehmers handelt, auf welchen er zumindest während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und einen Monat nach dessen Beendigung nicht verzichten kann. Eine Verzichtserklärung wäre unwirksam, unbesehen davon, ob sie mündlich oder schriftlich erfolgt sein sollte.

Arten

Vollzeugnis

Ein Vollzeugnis bildet die Regel und wird am Ende eines Arbeitsverhältnisses ausgestellt. Es soll dabei detailliert über die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers Auskunft geben.

Zwischenzeugnis

Ein Zwischenzeugnis muss hinsichtlich des Inhalts und des Aufbaus dem Vollzeugnis entsprechen. Ein Zwischenzeugnis wird vor allem dann ausgestellt, wenn der Arbeitnehmer eine neue Stelle sucht. Das Ausstellen lassen eines Zwischenzeugnisses ist für den Arbeitnehmer jedoch auch empfehlenswert, wenn er beispielsweise eine andere Funktion übernimmt oder befördert wird sowie wenn der Vorgesetzte die Stelle wechselt. Bei der Formulierung von Zwischenzeugnissen ist darauf zu achten, dass bei Verben die Gegenwartsform gebraucht wird, da der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ausstellung seine Stelle noch inne hat.

Arbeitsbestätigung

Eine Arbeitsbestätigung, welche lediglich über die Personalien, die Funktion sowie die Anstellungsdauer und eben gerade nicht über Leistungen und Verhalten Auskunft gibt, darf nur ausgestellt werden, sofern der Arbeitnehmer dies ausdrücklich verlangt. Eine blosse Arbeitsbestätigung drängt sich lediglich dann auf, wenn das Arbeitsverhältnis nur sehr kurze Zeit (bis zu drei Monaten) gedauert hat, da in diesem Fall eine objektive und zuverlässige Einschätzung der Leistung und des Verhaltens in der Regel nicht möglich ist. Hat das Arbeitsverhältnis länger gedauert, sollte in jedem Fall ein Vollzeugnis verlangt werden.

Formulierungen

Ein Arbeitszeugnis hat grundsätzlich folgenden drei Formulierungs-Ansprüchen zu genügen:

  • Vollständigkeit: Die Elemente, die zu einem vollständigen Arbeitszeugnis gehören:
  • Titel
  • Personalien
  • Eintritt, Austritt
  • Funktion
  • Aufgabenaufzählung
  • Beförderungen
  • Leistungsbeurteilung
  • Qualität
  • Quantität und Speditivität
  • Fachwissen
  • Besondere Kenntnisse
  • Verhalten
  • Krankheiten
  • Austrittsgrund
  • Allfällige Vorbehalte
  • Schlusssatz
  • Stempel, Datum, Unterschrift
  • Wohlwollen: Das Arbeitszeugnis muss insofern wohlwollend sein, als es das Fortkommen des Arbeitnehmers zu erleichtern hat.
  • Wahrheit: Der Wahrheitspflicht genügt ein Arbeitszeugnis, wenn die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers weder beschönigt noch falsch wiedergegeben werden. Dabei muss eventuell auf Umstände hingewiesen werden, die für einen neuen Arbeitgeber relevant sein können (z.B. eine Veruntreuung begangen durch eine Kassierin, die Alkoholsucht eines Chauffeurs etc.). Werden Umstände dieser Art im Zeugnis nicht erwähnt, kann dies gar zu Schadenersatzforderungen führen. Um der Wahrheitspflicht zu genügen wird in der neueren Praxis die sogenannte “Brückentechnik” angewandt. Diese zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass die zu erwähnenden negativen Punkte zwischen positive Feststellungen eingespannt bzw. eingegliedert werden.
Wahrheitspflicht / Erwähnung und Nichterwähnung
Was im Arbeitszeugnis stehen darf: Was nicht im Arbeitszeugnis stehen darf:
  • Delikte gegenüber dem Arbeitgeber
  • Wiederholte Missachtung der Arbeitgeberweisungen
  • Generell unsorgfältige Arbeitsweise
  • Teamunfähigkeit
  • Streitsucht
  • Wiederholte Trunksucht am Arbeitsplatz
  • Wiederholte Belästigung von Arbeitnehmerinnen
  • Einmaliger temporärer Leistungsabfall
  • Einmalige Differenzen mit dem Arbeitgeber
  • Einmaliger Vorfall des Arbeitnehmers mit Arbeitskollegen
  • ausnahmeweises Zuspätkommen
  • persönliche Probleme
  • Ehestreit

Relevante Vorkommnisse und Umstände; Mitarbeitergespräche

 

Das Arbeitszeugnis muss die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers während der ganzen Dauer des Arbeitsverhältnisses wiedergeben. Dabei dürfen allenfalls vorhandene einzelne negative Vorkommnisse nicht in den Vordergrund treten, sofern ansonsten die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers zu keinen Beanstandungen Anlass gegeben hat.

In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich, dass der Arbeitgeber zusammen mit dem Arbeitnehmer jährliche oder halbjährliche Mitarbeitergespräche führt, in welchem Leistungen und Verhalten thematisiert werden, insbesondere eine Leistungsbeurteilung vorgenommen wird, allfällige Defizite besprochen und zu erreichende Ziele definiert werden. Diese Punkte sollten schriftlich festgehalten werden und vom Mitarbeiter wie auch dem Vorgesetzten unterschrieben werden. Damit können sie die Grundlage für die Ausarbeitung des Arbeitszeugnisses bilden.

 

Dauer des Arbeitsverhältnisses als Indikator

Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf ein vorbehaltlos positives Zeugnis. Jedoch muss dieses besser werden, je länger ein Arbeitsverhältnis gedauert hat. Als Faustregel gilt, dass, wenn ein Arbeitsverhältnis länger als fünf Jahre gedauert hat, Anspruch auf ein sehr gutes Arbeitszeugnis besteht. Denn wären die gesamten Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers nicht sehr gut gewesen, hätte es dem Arbeitgeber frei gestanden, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Dadurch, dass er dies nicht getan hat, brachte er selber zum Ausdruck, dass er mit den Leistungen und dem Verhalten des Arbeitnehmers insgesamt sehr zufrieden war. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass einzelne negative Umstände dennoch Eingang in das Arbeitszeugnis finden, allerdings nur, wenn sie im Zusammenhang mit der zu verrichtenden Arbeit relevant waren.

 

Leistungsqualifikation anstelle Zufriedenheitswertung

Der Gesetzgeber verlangt in OR 330a Abs. 1 grundsätzlich die Aeusserung des Arbeitgebers zu Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers. Es ist also die Leistung des Arbeitnehmers und nicht die Zufriedenheit des Arbeitgebers zu qualifizieren.

Weitere Gründe sprechen für eine Leistungs- anstelle einer Zufriedenheits-Qualifikation:

  • Jeder Arbeitnehmer hat Stärken und Schwächen, je nach Fachgebieten bzw. Themen und seinen Veranlagungen bzw. Neigungen (extrovertiert oder introvertiert, aufgeschlossen oder zurückhaltend usw.)
    • Die Leistungsqualifikation unter Bezugnahme auf Tätigkeiten ist individueller und ehrlicher als eine pauschale Zufriedenheitsbeurteilung.
    • Die pauschale Zufriedenheitsbeurteilung egalisiert Stärken und Schwächen, macht den Arbeitnehmer womöglich „durchschnittlich“, obwohl er vielleicht begehrte einzelne Leistungsqualifikationen ausweisen kann.
  • Der Arbeitnehmer war in verschiedenen Arbeitsbereichen tätig; für die einen Tätigkeiten war er gut ausgebildet oder sogar überqualifiziert und für die anderen hatte er gerade mal das zwar ausreichende Allgemein- und Hochschulwissen, aber nicht die wünschenswerte Grundlage, den von ihm betreuten Teilbereich des Arbeitgebers zur Markt-Vormachtstellung zu führen.
Leistungsqualifikation contra Zufriedenheitsbewertung
Leistung Zufriedenheit
Genügend zur Zufriedenheit
gut zur vollen Zufriedenheit
sehr gut zur vollsten Zufriedenheit
Charakterisierung durch andere objektive und sachliche Wertungen
Das Problem

 

  • Viele Arbeitnehmer sind sich gewohnt, sich an Zufriedenheitsbewertung zu orientieren und zu messen.
  • Manche Arbeitnehmer fechten sogar hervorragende Arbeitszeugnisse beim Arbeitsgericht an, nur weil die Zufriedenheitsbewertung (Standardformulierung) fehlt.

Verhaltensqualifikation

Für die Qualifikation des Arbeitnehmer-Verhaltens gibt es soziale Normen.

Verhaltensqualifikation contra Arbeitnehmercharakterisierung
Verhalten Charakterisierung
korrektes Verhalten (= Minimum) Wiedergabe, was den Arbeitnehmer effektiv charakterisiert
freundlich und korrekt
freundlich und zuvorkommend
zuvorkommend und hilfsbereit
Die Feststellung

Die Verhaltensbewertung ist viel weniger umkämpft als die Leistungsbeurteilung.

Gründe:

  • Soft skills sind weniger fassbar.
  • Beurteilungskriterien fehlen.
  • Arbeitgeber sind bei diesem Thema kulanter.
  • Arbeitnehmer fokussieren oft nur auf die Leistungsbewertung.

Schlussformel: Bedauern, Dank und Zukunftswünsche

Die Schlussformel betrifft weder die Leistung noch das Verhalten und kann grundsätzlich nicht als erwähnensnotwendig reklamiert werden:

  • Bedauern
    • = persönliche Gefühlsregung ohne objektiven Beurteilungscharakter
    • Es besteht kein Anspruch auf Aufnahme eines Bedauerns im Arbeitszeugnis.
  • Dankesworte
    • Dankesworte sind abhängig von individuell-konkreten Verhältnisse.
    • Es sollte nur ein gebührender Dank aufgenommen werden.
  • Zukunftswünsche
    • Zukunftswünsche sind dagegen eine persönliche Frage der Verbundenheit mit dem Arbeitnehmer trotz seines Weggangs.
    • Zur Wahrung des Anstands ist auch einem schlechten oder streitbaren Arbeitnehmer alles Gute für die Zukunft zu wünschen.
    • Das Fehlen der Zukunftswünsche könnte als Indiz für ein codiertes Arbeitszeugnis interpretiert werden, was der Arbeitgeber kaum möchte.

Datierung des Arbeitszeugnisses

Für die Datierung des Arbeitszeugnisses gelten folgende Grundsätze:

  • Datierungsnotwendigkeit
  • Massgebendes Datum: Zeitpunkt der Ausstellung bzw. Unterzeichnung
  • Das Arbeitszeugnis sollte
    • nicht unmittelbar nach der Kündigung ausgestellt werden (ein solches Zeugnis berücksichtigt das Verhalten während der Kündigungsfrist nicht; oft verhalten sich Arbeitnehmer nach der Kündigung anders als zuvor; zudem bleibt ein Missbrauch möglich);
    • also frühestens und spätestens am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses errichtet werden.
  • Eine Vor- oder Rückdatierung ist unzulässig
    • Eine Besserstellung kann je nach Situation als Urkundenfälschung interpretiert werden (vgl. StGB 251)
    • Ausnahme:
      • Auf gerichtliche Anordnung hin
        • bei unzulässiger fristloser Entlassung (Korrektur des Datums vom Tag der unzeitigen Entlassung auf den Zeitpunkt der ordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses)
        • bei unrichtigem oder unvollständigem Arbeitszeugnis
        • Ziel: Arbeitnehmer soll nicht schlechter gestellt sein, als wenn er von Anfang an ein korrektes Arbeitszeugnis ausgestellt erhalten hätte
    • Einvernehmliche Zeugnis-Änderungen
      • Setzung zweier Daten, nämlich des ursprünglichen Ausstellungsdatums / Datum der Unterzeichnung des Rektifikats.